Während meiner Studienreisen in Nepal lernte ich eine große Familie kennen, die zum Volk der Kirati gehört. Der Familienvater Mohan Rai, der vor einigen Jahren das "Shamanic Research and Studies Institute" in Kathmandu gegründet hatte, erzählte mir fachkundig über die Kultur und Religion seines Volkes.
Das Volk der Kirati ist ein in Bhutan, Sikkim, Darjeeling und Nepal seit langer Zeit einheimisches Volk, das im Altertum möglicherweise aus Burma nach Norden wanderte und seine neue Heimat fand. Unter ihnen gibt es die Volksgruppierungen der Rai, der Limbu, der Sunuwar, der Dhimal und der Yakkha.
Mohan Rai |
Das Volk der Kirati ist ein in Bhutan, Sikkim, Darjeeling und Nepal seit langer Zeit einheimisches Volk, das im Altertum möglicherweise aus Burma nach Norden wanderte und seine neue Heimat fand. Unter ihnen gibt es die Volksgruppierungen der Rai, der Limbu, der Sunuwar, der Dhimal und der Yakkha.
Ihr
Glaube gehört zu den animistischen Religionen. Sie verehren Naturgeister, Naturwesenheiten, Naturgötter. Ihr Glaube
heißt Mundhum (Baumwurzel). Die Kirati haben keine Kirchen, dafür aber befinden
sich in jedem Haus gepflegte Stellen für Zeremonien und Opfergaben, sowie
Ahnenhäuschen mit einer speziellen Feuerstelle. Die Natur selbst bedeutet für
sie die „Kirche“.
Sie
verehren die Flüsse, die Berge, die Wälder, alle Pflanzen und Tiere, Menschen
und Geister, Götter und Wesenheiten, das heißt alle Kräfte des Universums.
Große
Wesenheiten und Götter (meistens als Paar) sind im Kirati Glauben zu den
Himmelsrichtungen zugeordnet.
Norden:
Sumnima, weiblich (Erdkraft) und
Paruhang, männlich (Himmelskraft)
im
Osten:
Honkusumpa
oder Sokupa der Urschamane oder Bonjhankri und Lemlema, die Urhexe
im
Süden:
Mehdani
(oder Kali, weiblich) und Mehhang (oder Bhairab, männlich)
im
Westen:
Koklihangma
oder Patajongma (oder Jungali,weiblich) und Apturihang (oder Shikari, männlich).
Die
Kirati glauben, dass es zu Urzeiten wilde und böse Götter-Geschwister gab:
Simma, Namdo Lengma, Satajhongma, Rontccha, Penchhama, Malekuma, Soyongma und
Kolendima, wobei Simma später zu Lemlema (Urhexe) reinkarniert haben soll.
Insgesamt sind es also nur sieben.
Namdo
Lengma soll gierig und eifersüchitg gewesen sein, Satajhongma soll die
Wasserquellen verstopft haben, Rontchha riss die Pflanzen und Blumen aus der
Erde, Malekuma zerstörte die Umgebung mit Feuer, Soyongma brachte Krankheiten
und Kolendima fraß die Tiere auf.
Später verwandelten sich diese bösen Hexengeschwister
durch Sumnimas und Paruhangs Eingreifen in lichtvolle und gute Wesen. Sie erhielten von Sumnima und Paruhang die Aufgabe,
alles Zerstörte wieder zum Leben zu erwecken und/oder zu heilen. Die Schwestern
haben nach ihrer Läuterung einen
Sammelnamen erhalten: Saptenhangma. Man führt bei den Kirati jährlich einmal im
März eine Zeremonie durch, um die Kraft der Saptenhangma als weibliche
Heilkraft zu ehren und für die Gemeinschaft zu aktivieren.
Die
Hexen heißen Kuniyama (Bokshi).
Die Glaubenslehre der Kirati vermischte sich mehr und mehr mit der bön, buddhistischen und
hinduistischen Religionen. Insbesondere in Nepal werden Feste von verschiedenen
Religionen häufig gemeinsam gefeiert. Die Buddhisten feiern mit den Hindus mit
und umgekehrt, die Kirati feiern die eigenen, die hinduistischen und
buddhistischen Feste mit.
Dementsprechend
unterscheiden auch die Kirati vier geistige „Essenzen“ (laut Mohan Rai, Leiter
des Instituts „Shamanic Research and Studies Institute“), die auch im Buddhismus und Hinduismus gebräuchlich sind.
1.
Kongkhang (Tantra) Zusammenhänge, Lehre
2.
Khangma (Yantra) Mandalas, Thankas etc.
3.
Mangma (Mantra) gesungene oder rezitierte heilige Texte
4.
Lakluma (Mudra) Heilige Inhalte körperlich oder in Handhaltungen ausgedrückt
Mandala für eine schamanische Zeremonie |
Zeremonie beim Todesfall
Der
Verstorbene wird auf einer aus Bambusstangen zusammengeflochtenen Tragbahre
getragen und beigesetzt. Die Kirati benutzen keinen Sarg.
Eine
Totenzeremonie wird erst 45 Tage später durchgeführt.
Ein
Schamane (Naksung) ruft die Seele des Toten auf und er gibt der toten Seele die
richtige Richtung an, wie sie die Welt
der Lebenden zu verlassen hat, damit sie sich nicht verirrt.
Wenn
sich die Seele des Toten verirrt, insbesondere von Selbstmördern, plötzlich
Verstorbenen, Ermordeten oder Kindern, die nicht wahrnehmen konnten, dass sie
starben, kann das unheilbringende Konsequenzen verursachen. Diese Seelen werden
als Bhuta in der Nähe der Lebenden weiter existieren und leider sehr negativ
und rastlos auf diese einwirken.
Es
wird dabei unter anderem Beifuß (Thombi in
Kirati Sprache) als reinigendes Räucherwerk verbrannt.
Die
Zeremonie für den Toten (Mamang) heißt Thomma, wobei die Seele des Toten und
auch die Seelen der Ahnen angesprochen, gerufen werden.
Opferschale für eine schamanische Zeremonie |
Bei
der Zeremonie werden in Bananenblätter ein Handvoll Reis, etwas Geld, Alkohol
und bobkha (gesegnetes Reisgebäck) eingewickelt.
Der
Schamane bittet seinen persönlichen Ahnengeist, um ihn bei der Arbeit zu
helfen, der Totengeist die richtige Richtung zu weisen. Weitere
Natur-Geistwesen werden eingeladen, die auf dem Weg der Seele behilflich sein
sollen.
Solche
Eingeladenen sind das u.a. das Götterpaar: die weibliche Koklihangma (oder Jungali) und der männliche Apturihang (oder Shikari).
Der
Schaman ruft den Ahnengeist des Verstorbenen ebenso herbei.
Dieser
und der Schamane befragen die Seele des Verstorbenen, wo sie selbst hingehen
möchte, ob sie in Frieden ins Licht gehen oder im Dorf bleiben mag. Wenn die
Totenseele die Möglichkeit wählt zu bleiben und zu Bhuta werden, trommelt der
Schamane plötzlich viel lauter und bittet weitere mächtige Wesenheiten, um die
Totenseele in die richtige Richtung, in den Frieden und ins Licht zu bewegen.
Diese weiteren Wesenheiten können der Greifvogel Garuda oder Schlangenwesen
(Nagas) sein.
Garuda Maske, Holzschnitzerei |
Der
Schamane entscheidet, wann die Zeremonie aufhört, nämlich, wenn er in Trance
erfährt oder sieht, dass die Seele - tatsächlich überzeugt vom richtigen Weg - die
Umgebung verlässt.
Der
Gott des Todes heißt Khamarahang
(Yamaraj).
Ein Kirati Gebet für Schutz und Heilung
Von
Mohan Rai
Sarima ó Mang Butmá
Oda ailona
Sumnima Paruhang shewa shewa
Ninamma shewa
shewa
Henkhamma
shewa
shewa
Digdamma shewa shewa
Mangchhamma, Samkhamma shewa shewa
Ninam ó Ladipma shewa shewa
Jharak sakki,
khoklipakli shewa shewa
Chhokkuma Khidima shewa shewa
Honkusompo, Honkusommo shewa shewa
Ai oda anka sarisengma
yolina
Aidanka chhunku chhung
liné kia
oko (Männername) sawachha
(oder)
oko (Frauenname)
chhekuma
Sawapawanin, Bala
pawanin,
Lawa mondhané, saya
pepminné
ROGO ROGO ROGO
Bala bala - bala bala -
bala bala
Chhu, chhu, chhu
Einige
Erklärungen zum Text:
Sarima
ó Mang Butmá = Rufen die Geister für die Heilung der Krankheit
Ninamma
= obere schamanische Welt
Henkhamma
= mittlere schamanische Welt
Digdamma
= untere schamanische Welt
Shewa
shewa = höfliche Begrüßung
Khoklipakli
= die Welt der Pflanzen
Yolina=
Heilung
Aidanka=
heute
Chu
– chu –chu rezitiert man für die drei Welten.
Mundhum Schutzmantra
Oda
Sumnima Paruhang
Ninamma
Henkhamma
Digdamma
Bala bala bala bala bala
bala
Rogo rogo rogo
Der
Text ist eine Aufrufung der Kräfte aus der schamanischen oberen, mittleren und
unteren Welt. Dieses Mantra wird häufig rezitiert.
Das Foto zeigt eine schamanische Trommel oder Dhyangro, die aus drei Teilen besteht:
Der Trommelkörper steht für die schamanische obere Welt, die Mitte des Griffs steht für die mittlere Welt und die spitze des Griffs steht für die untere Welt.
Für die Trommel wird Affen- oder Ziegenhaut verwendet, die Holzteile werden aus Kastanienbaum geschnitzt. Der Griff ist gleichzeitig ein Phurba oder Donnerkeil.
Das Foto zeigt eine schamanische Trommel oder Dhyangro, die aus drei Teilen besteht:
Der Trommelkörper steht für die schamanische obere Welt, die Mitte des Griffs steht für die mittlere Welt und die spitze des Griffs steht für die untere Welt.
Für die Trommel wird Affen- oder Ziegenhaut verwendet, die Holzteile werden aus Kastanienbaum geschnitzt. Der Griff ist gleichzeitig ein Phurba oder Donnerkeil.
Kuladeva und andere Geister
Kuladeva
sind die Ahnengeister, die von Familienangehörigen oder Schamanen angebetet und
aufgerufen werden, um sie zu ehren oder um sie um Kraft zu bitten.
Die
Ahnen Kokuni (Oma), Sakuche (Opa) Depache (Uropa) werden bei den Kirati oft erwähnt
und verehrt.
Mohan
Rai erklärte mir, dass Brahma in der Kirati Sprache Paparabu und Lakshmi
Mamachunubungma genannt wird. Mang bedeutet Gott. Shivas Gefährtin Parvati wird
Mangpama genannt. Durga deva wird Chandi genannt.
Mächtige
Totengeister sind die Mashans, die Kirati nennen diese Sulawa.
Die
bereits erwähnten Bhutas werden auch Kinkimma genannt.
Kirati Feste
Im Mai wird
bei Vollmond Sakela Ubhauli gefeiert. Die Buddhisten feiern genau an
diesem Tag Buddhas Geburtstag. Dabei werden Geister und göttliche Kräfte in die Berge geschickt. Es wird gesagt, sie hätten sich Ruhezeit verdient.
Ihre gute Kraft bleibt bei den Menschen, aber sie selbst können sich bis zum
nächsten Fest ausruhen.
Das
nächste große Fest ist Sakela Udhauli im Spätherbst. Dabei werden
die Götter, Wesenheiten und Geister aus den Bergen wieder zu den Menschen eingeladen.
So wird Sumnimas und Paruhangs Kraft wieder aktiviert.
Bei
beiden Festen werden ordentlich Reisschnaps und andere Alkoholika ausgeschenkt.
Es wird viel gegessen, eine große Feuerstelle
errichtet. Die Schamanen trommeln und führen Zeremonien (Pujas) durch und
bitten die Geister darum, ihre Opfergaben zu akzeptieren (Reis, Ingwer,
Blüten, Alkohol etc.) Selbst in der Hauptstadt Kathmandu bemühen sich die
Kirati den beiden Festen beizuwohnen.
Ahnenhaus
Ein
Ahnenhaus mit Feuerstelle für die Ahnen sollte nach der Mundhum Tradition an
jedem Wohnhaus gebaut werden.
Die
Feuerstelle wird täglich gepflegt und benutzt, um zu den Ahnen zu beten..
Es
gibt ein Wohnzimmer für die Ahnen, das Mangchhamma genannt wird. Dieses wird
immer unter der Decke aus Strohmatte angefertigt.
Die
Feuerstelle für die Ahnen heißt Samkamma.
Um
die Feuerstelle herum werden symbolisch drei große Steine aufgestellt, die
jeweils einen Namen und eine spezielle Bedeutung haben:
Stein Nr.
1 Taralung
für die weiblichen Ahnen
Stein Nr.
2 Subtulung
für die männlichen Ahnen
Stein Nr.
3 Mijalung
für die ganze Familie
In
der Mitte der Feuerstelle brennt das
Feuer, das von Sumnima und Paruhang (oberstem Götterpaar) bewacht wird.
Im Feuer verbrennt man Himalaya-Kräuter
als Räucherwerk (Dhopa) und
schenkt den Ahnen Essen und Getränke als Opfergaben.
schenkt den Ahnen Essen und Getränke als Opfergaben.