Was ist Bön?
Der Bön ist eine
der ältesten Religionen. Jahrtausende älter als der Buddhismus oder
das Christentum. Er stammt ursprünglich aus Zentralasien und ist mit
dem dort praktizierten Schamanismus verwandt. In seinem Glauben
wohnt allen Naturphänomenen ein immanenter Geist inne, der jeweils
eine bestimmte Kraft oder Macht verkörpert. In seinem Ursprung war
der Bön eine animistische Religion. Heilungen, Gebete und
Wahrsagungen standen im Mittelpunkt der täglichen religiösen
Praxis.
Wie bei anderen
animistischen Religionen, waren die Rituale des Bön vielfältig.
Diese Vielfalt ist noch heute in den schamanischen Zeremonien des
Himalaja lebendig.
Der Bön war die
ursprüngliche Religion Tibets, bis ihn im 8. Jahrhundert der
Buddhismus verdrängte. In dieser Zeit sammelte der
große Bön-Lehrer Tapihritsa
mündlich überlieferte, alte Lehren, die er niederschrieb, um sie
für künftige Generationen zu bewahren. Heute gibt es nur noch
wenige Bön-Klöster in Tibet und in Nepal.
Triten Norbutse Kloster |
Inzwischen hat sich
der Bön gründlich verändert. Er wurde dem Buddhismus immer
ähnlicher. Die Unterschiede zwischen den Erscheinungen und
Traditionen des Bön und des Buddhismus fallen inzwischen kaum mehr
auf.
Äußerlich erkennen
wir die Bönpos (Mönche des Bön) daran, dass in ihrer Kleidung die
Farbe blau vertreten ist, z.B. im oberen Teil ihrer Mützen.
Anders als die
Buddhisten, umranden sie heilige Monumente entgegen dem Uhrzeigersinn.
Ähnlich wie in
buddhistischen Klöstern hängen auch in den Klöstern des Bön
Thankas (Rollbilder) an den Wänden, ihre Ikonographie ist jedoch
verschieden.
Zum Panoptikum ihrer
Göttlichkeiten gehören u.a. der Gründer der Bön-Religion Tönpa
Shenrab Miwoche, der
Urbuddha Kuntu Zangpo (sanskrit: Samantabhadra), die
Schöpfergottheit Sangpo
Bumtri, die
Gottheit
des Mitgefühls Shenla
Okar und Jamma
(Chamma), die liebende Mutter
aller Buddhas.
Shenrab Miwoche |
Chamma |
Seit 1988 ist der
Bön inzwischen auch von S.H. Dalai Lama anerkannt. In der
Tibetischen Exilregierung gibt es - neben den Vertretern anderer
buddhistischen Schulrichtungen (Nyingma, Gelug, Kagyü oder Sakya) -
sogar zwei Vertreter des Bön.
Mein
Besuch und Glück im Bön-Kloster in Kathmandu
Während
meiner Aufenthalte in Kathmandu besuchte ich zweimal das im
Stadtteil Ichangu in der Nähe des berühmten buddistischen Stupa
Swayambunath gelegene Bön-Kloster Triten
Norbutse Institut.
Junge Bön-Mönche - gar nicht so verlegen |
Als ich dort ankam, wollte ich eigentlich „nur“ mit Gelehrten
über meine These sprechen, dass auch meine aus Asien stammenden
ungarischen Landsleute möglicherweise eine Art des Bön als
Urreligion praktizierten. So gibt es etwa in der ungarischen Sprache
das Wort „bűn“. Es bedeutet „Sünde“ und ist vermutlich auf
das Wort „Bön“ zurückzuführen. Als die christliche Religion in
Ungarn an Macht gewann, durfte die Bön-Tradition nicht mehr
praktiziert werden. Deshalb wurde alles, was aus der alten
Bön-Religion herrührte zu „bűn“, also zur „Sünde“.
Ich wurde zu einem Bönpo Lehrer geführt, der Englisch sprach und
meine These über den Zusammenhang zwischen den Wörtern „Bön“
und „bűn“ schlüssig fand. Anschließend zeigte er mir im
Hauptkloster viele Rollbilder (Thankas), wie sie uns aus
buddhistischen Klöstern in dieser Form nicht bekannt sind.
Mein Klosterführer |
Shanla Okar - Wandbild |
Ich durfte mich glücklich schätzen, denn er lud mich gleich für
den nächsten Tag zu einer „Einweihung in den Medizinbuddha“ ein.
Die „Einweihung“ war ein großes Fest mit Hunderten geladenen
Gästen aus der Umgebung: Familien der Bön-Mönche, Gelehrten,
Bekannten und einer Handvoll ausländischer Interessenten. Das
Schicksal hatte mich gerade an jenem Tag dorthin geschickt. Ich war
zutiefst dankbar und glücklich, dass ich einer solch
bedeutungsvollen Zeremonie beiwohnen durfte.
Das
Fest begann (sehr) früh am Morgen. Alle Mönche und Gäste saßen
eng zusammengerückt auf dem (sehr) kalten Boden im Kloster und
nahmen an der Zeremonie teil, die vom betagten Gründer und damals
obersten Lehrer Yöngdzin
Lopön Tenzin Namdak Rinpoche geleitet
wurde. Das Thema war der Medizinbuddha, tib. Sangye
Menla.
Yöngdzin Lopön Tenzin Namdak Rinpoche |
Innerlich war ich darauf vorbereitet, eine böse Erkältung zu
bekommen. In meiner Fantasie malte ich mir bereits Blasen- oder
Nierenbeckenentzündung, Husten oder Schnupfen aus. Nichts davon trat
ein. Scheinbar hat mich die Energie des Medizinbuddha vor all diesen
Krankheiten geschützt.
Nach der Zeremonie, die beinahe drei Stunden dauerte, wurden alle
Teilnehmer einzeln rituell gesegnet und beschenkt. Als Geschenk
erhielten wir einen Briefumschlag mit kleinen Medikamenten-Kügelchen
in brauner Farbe (sozusagen ein „Pauschalmedikament“) mit einer
langen Gebrauchsanweisung, wann, wie und wofür diese Kügelchen
eingenommen werden sollten.
Vor einigen Tagen
fand ich den Umschlag in einer Schublade wieder. Aus Neugier zerkaute
ich eines der Kügelchen. Der Geschmack erinnerte an eine Mischung
aus Seife und Erde.
Gesegnet wurden die Medizin-Kügelchen in den Schalen |
Am Ende der Zeremonie sollte man eine Opfergabe in Form von Geld
(ebenso in einem Umschlag) und einen weißen Schal vor dem Altar
niederlegen. Ich hatte weder einen Schal, noch einen Umschlag dabei,
so improvisierte ich, indem ich Geldscheine in einem längs
gefalteten Papiertaschentuch vor dem Altar niederlegte. Der Mönch
lächelte mich freundlich an. Ich war sicher nicht der erste und auch
nicht der letzte „Ausländer“, der mit den Sitten und Gebräuchen
nicht vertraut war.
Segnung und Verteilen der Pillen |
Opfergabe vor dem Altar |
Später wurden auf der inzwischen sonnigen Terrasse des Klosters ein
Yak-Fleischgericht und Buttertee gereicht.
Zubereitung des Fleischgerichtes |
Klosterküche |
Der Buttertee |
Dort
begegnete ich einem Studenten der tibetischen Sprache aus Spanien und
einer auf „spiritueller Reise“ befindliche, blonde Kroatin. Zu
Dritt beschlossen wir, noch einige Fotos im Kloster aufzunehmen, wo
unzählige traditionelle Bön-Thankas hingen. Leider sind die
Aufnahmen nicht besonders geworden - ein Grund, noch einmal
hinzufahren …
Bön-Mönche nach der Zeremonie |