Sonntag, 5. Mai 2013

Persönliches Glück im Bön-Kloster


Was ist Bön?

Der Bön ist eine der ältesten Religionen. Jahrtausende älter als der Buddhismus oder das Christentum. Er stammt ursprünglich aus Zentralasien und ist mit dem dort praktizierten Schamanismus verwandt. In seinem Glauben wohnt allen Naturphänomenen ein immanenter Geist inne, der jeweils eine bestimmte Kraft oder Macht verkörpert. In seinem Ursprung war der Bön eine animistische Religion. Heilungen, Gebete und Wahrsagungen standen im Mittelpunkt der täglichen religiösen Praxis.
Wie bei anderen animistischen Religionen, waren die Rituale des Bön vielfältig. Diese Vielfalt ist noch heute in den schamanischen Zeremonien des Himalaja lebendig.

Der Bön war die ursprüngliche Religion Tibets, bis ihn im 8. Jahrhundert der Buddhismus verdrängte. In dieser Zeit sammelte der große Bön-Lehrer Tapihritsa mündlich überlieferte, alte Lehren, die er niederschrieb, um sie für künftige Generationen zu bewahren. Heute gibt es nur noch wenige Bön-Klöster in Tibet und in Nepal. 
 
Triten Norbutse Kloster

Inzwischen hat sich der Bön gründlich verändert. Er wurde dem Buddhismus immer ähnlicher. Die Unterschiede zwischen den Erscheinungen und Traditionen des Bön und des Buddhismus fallen inzwischen kaum mehr auf.
Äußerlich erkennen wir die Bönpos (Mönche des Bön) daran, dass in ihrer Kleidung die Farbe blau vertreten ist, z.B. im oberen Teil ihrer Mützen.
Anders als die Buddhisten, umranden sie heilige Monumente entgegen dem Uhrzeigersinn.
Ähnlich wie in buddhistischen Klöstern hängen auch in den Klöstern des Bön Thankas (Rollbilder) an den Wänden, ihre Ikonographie ist jedoch verschieden. 


Zum Panoptikum ihrer Göttlichkeiten gehören u.a. der Gründer der Bön-Religion Tönpa Shenrab Miwoche, der Urbuddha Kuntu Zangpo (sanskrit: Samantabhadra), die Schöpfergottheit Sangpo Bumtri, die Gottheit des Mitgefühls Shenla Okar und Jamma (Chamma), die liebende Mutter aller Buddhas.

Shenrab Miwoche
Chamma



Seit 1988 ist der Bön inzwischen auch von S.H. Dalai Lama anerkannt. In der Tibetischen Exilregierung gibt es - neben den Vertretern anderer buddhistischen Schulrichtungen (Nyingma, Gelug, Kagyü oder Sakya) - sogar zwei Vertreter des Bön.



Mein Besuch und Glück im Bön-Kloster in Kathmandu

Während meiner Aufenthalte in Kathmandu besuchte ich zweimal das im Stadtteil Ichangu in der Nähe des berühmten buddistischen Stupa Swayambunath gelegene Bön-Kloster Triten Norbutse Institut.

Junge Bön-Mönche - gar nicht so verlegen

Als ich dort ankam, wollte ich eigentlich „nur“ mit Gelehrten über meine These sprechen, dass auch meine aus Asien stammenden ungarischen Landsleute möglicherweise eine Art des Bön als Urreligion praktizierten. So gibt es etwa in der ungarischen Sprache das Wort „bűn“. Es bedeutet „Sünde“ und ist vermutlich auf das Wort „Bön“ zurückzuführen. Als die christliche Religion in Ungarn an Macht gewann, durfte die Bön-Tradition nicht mehr praktiziert werden. Deshalb wurde alles, was aus der alten Bön-Religion herrührte zu „bűn“, also zur „Sünde“.

Ich wurde zu einem Bönpo Lehrer geführt, der Englisch sprach und meine These über den Zusammenhang zwischen den Wörtern „Bön“ und „bűn“ schlüssig fand. Anschließend zeigte er mir im Hauptkloster viele Rollbilder (Thankas), wie sie uns aus buddhistischen Klöstern in dieser Form nicht bekannt sind. 

Mein Klosterführer
Shanla Okar - Wandbild



























Ich durfte mich glücklich schätzen, denn er lud mich gleich für den nächsten Tag zu einer „Einweihung in den Medizinbuddha“ ein.

Die „Einweihung“ war ein großes Fest mit Hunderten geladenen Gästen aus der Umgebung: Familien der Bön-Mönche, Gelehrten, Bekannten und einer Handvoll ausländischer Interessenten. Das Schicksal hatte mich gerade an jenem Tag dorthin geschickt. Ich war zutiefst dankbar und glücklich, dass ich einer solch bedeutungsvollen Zeremonie beiwohnen durfte.




Das Fest begann (sehr) früh am Morgen. Alle Mönche und Gäste saßen eng zusammengerückt auf dem (sehr) kalten Boden im Kloster und nahmen an der Zeremonie teil, die vom betagten Gründer und damals obersten Lehrer Yöngdzin Lopön Tenzin Namdak Rinpoche geleitet wurde. Das Thema war der Medizinbuddha, tib. Sangye Menla. 

Yöngdzin Lopön Tenzin Namdak Rinpoche

Innerlich war ich darauf vorbereitet, eine böse Erkältung zu bekommen. In meiner Fantasie malte ich mir bereits Blasen- oder Nierenbeckenentzündung, Husten oder Schnupfen aus. Nichts davon trat ein. Scheinbar hat mich die Energie des Medizinbuddha vor all diesen Krankheiten geschützt.






















Nach der Zeremonie, die beinahe drei Stunden dauerte, wurden alle Teilnehmer einzeln rituell gesegnet und beschenkt. Als Geschenk erhielten wir einen Briefumschlag mit kleinen Medikamenten-Kügelchen in brauner Farbe (sozusagen ein „Pauschalmedikament“) mit einer langen Gebrauchsanweisung, wann, wie und wofür diese Kügelchen eingenommen werden sollten.
Vor einigen Tagen fand ich den Umschlag in einer Schublade wieder. Aus Neugier zerkaute ich eines der Kügelchen. Der Geschmack erinnerte an eine Mischung aus Seife und Erde. 


Gesegnet wurden die Medizin-Kügelchen in den Schalen

Am Ende der Zeremonie sollte man eine Opfergabe in Form von Geld (ebenso in einem Umschlag) und einen weißen Schal vor dem Altar niederlegen. Ich hatte weder einen Schal, noch einen Umschlag dabei, so improvisierte ich, indem ich Geldscheine in einem längs gefalteten Papiertaschentuch vor dem Altar niederlegte. Der Mönch lächelte mich freundlich an. Ich war sicher nicht der erste und auch nicht der letzte „Ausländer“, der mit den Sitten und Gebräuchen nicht vertraut war.


Segnung und Verteilen der Pillen
Opfergabe vor dem Altar


Später wurden auf der inzwischen sonnigen Terrasse des Klosters ein Yak-Fleischgericht und Buttertee gereicht.


Zubereitung des Fleischgerichtes
Klosterküche

Der Buttertee



Dort begegnete ich einem Studenten der tibetischen Sprache aus Spanien und einer auf „spiritueller Reise“ befindliche, blonde Kroatin. Zu Dritt beschlossen wir, noch einige Fotos im Kloster aufzunehmen, wo unzählige traditionelle Bön-Thankas hingen. Leider sind die Aufnahmen nicht besonders geworden - ein Grund, noch einmal hinzufahren …










Er versteckt sich vor der Sonne unter dem Steintisch



Bön-Mönche nach der Zeremonie